A02

Entwicklung der domänenspezifischen Critical Online Reasoning-Fähigkeiten (DOM-COR) von Wirtschaftsstudierenden im Verlauf des Bachelorstudiums und wesentliche Einflussfaktoren auf DOM-COR

Konzeptueller Hintergrund und Studienschwerpunkt

Die aktuelle Forschung und Praxis zeigen übereinstimmend, dass Studierende der Wirtschaftswissenschaften heutzutage das Internet als wichtigste Informationsquelle für ihr Studium nutzen. Studierende und Dozierende bewerten die Fähigkeit, Online-Informationen zu recherchieren und einzuschätzen, als entscheidend für ein erfolgreiches Studium der Wirtschaftswissenschaften. Zugleich gibt es vermehrt Hinweise darauf, dass Studierende beim internetbasierten Lernen häufig fachliche Fehlannahmen entwickeln, die zu einem verzerrten Verständnis von wirtschaftswissenschaftlichen Inhalten führen können.

Aktuelle Entwicklungen und Studien in den Wirtschaftswissenschaften verdeutlichen, dass die Vermittlung von Critical Online Reasoning (COR) stärker in der Hochschulausbildung verankert werden sollte, um den vorhandenen Defiziten in den entsprechenden Fähigkeiten bei Studierenden wie auch bei Absolvent:innen zu begegnen. Lehrende benötigen hierfür erprobte valide Erfassungsinstrumente für eine fundierte Diagnostik der COR-Fähigkeiten von Studierenden als eine notwendige Voraussetzung für Entwicklung von effektiven Trainingsansätzen, um die Studierenden auf ein kompetentes (selbstgesteuertes) Lernen im Internet vorzubereiten.

Konzept und Forschungsziel

Basierend auf Vorstudien definiert A02 die domänenspezifischen (DOM)-COR-Fähigkeiten als die Fähigkeiten, um wirtschaftsbezogene Informationen aus dem Internet kritisch auszuwählen, zu bewerten und zu nutzen, um darauf basierend fundiertes Wissen und begründete Entscheidungen abzuleiten. Das DOM-COR-Konstrukt wird anhand von drei Facetten modelliert: Online-Informationsbeschaffung, kritische Informationsbewertung sowie Schlussfolgerung mit Belegen, Argumentation und Synthese.

In A02 wird zwischen drei praktischen Kontexten unterschieden, in denen DOM-COR angewendet werden kann: fundamentales DOM-COR zur Bestimmung der korrekten Bedeutung von Konzepten (z. B. des Break-Even-Point), praxisbezogenes DOM-COR, das bei wirtschaftlichen Entscheidungen unter realen Anwendungsbedingungen erforderlich ist (z. B. die Erstellung eines Finanzplans auf der Grundlage widersprüchlicher Parameter), und transdisziplinäres DOM-COR für komplexe Problemlösungen (z. B. Entscheidungen über kostspielige lebensrettende Maßnahmen bei begrenzten Finanzmitteln).

A02 zielt darauf ab, ein objektives und verlässliches Messverfahren der DOM-COR-Entwicklung von Studierenden zu entwickeln, das eine valide Interpretation der Testergebnisse ermöglicht und den diagnostischen und prognostischen Anforderungen im universitären Kontext entspricht.

Messung und Analysen

Um die DOM-COR-Fähigkeiten valide zu messen, verwendet A02 Szenario-basierte Aufgaben, bei denen neu entwickelte und validierte Assessments in einem offenen Format (mit uneingeschränktem Internetzugang) und einem geschlossenen Format (mit internetähnlichen Simulationen und vorgegebenen Quellen) durchgeführt werden. In den DOM-COR-Aufgaben stehen die Studierenden einem realistischen Problem gegenüber, das sie auf der Grundlage frei verfügbarer Internetressourcen (offenes Format), die sie in ihrem Studium nutzen, oder auf der Grundlage vorgegebener Quellen (geschlossenes Format) lösen müssen. Entsprechend der konzeptionellen Grundlagen ist jede Aufgabe im DOM-COR-Assessment so aufgebaut, dass sie (i) alle drei DOM-COR-Fähigkeitsfacetten und (ii) alle drei Anforderungskontexte abdeckt. Demnach beinhalten die DOM-COR-Aufgaben Problemstellungen in den Wirtschaftswissenschaften in den drei Kontexten, die sich auf das Schlussfolgern anhand von recherchierten oder vorgegebenen Online-Informationen beziehen.

Die Antworttexte und Aufgabenlösungsprozesse (inkl. Suchverlauf, Mausklicks, Scrollen) werden in dem digitalen DOM-COR-Assessment in Echtzeit gespeichert. Diese multimodalen Performanz- und Antwortprozessdaten werden dann von mehreren geschulten Ratern anhand eines neu entwickelten Bewertungsschemas entsprechend der Definition des COR-Konstrukts bewertet. Die verschiedenen Indikatoren der DOM-COR-Fähigkeiten werden dann unter Einbezug zusätzlicher erhobener Informationen wie soziodemografische Daten, Mediennutzungsgewohnheiten, Fachwissen, Intelligenz und Merkmale der verwendeten Online-Quellen analysiert, um ein umfassendes Verständnis der COR-Fähigkeiten der Studierenden zu gewinnen.

Die Auswirkungen von Curricula und Lehr-Lernangeboten auf die Entwicklung von DOM-COR-Fähigkeiten und andere wichtige persönliche und kontextuelle Kovariaten werden in A02 auf der Grundlage von Daten aus zwei Panel-Kohorten mit Studierenden der Wirtschaftswissenschaften (und Studierenden der Soziologie als Vergleichsgruppe) über den Verlauf ihres Bachelorstudiums zu vier Messzeitpunkten erfasst und längsschnittlich analysiert.

Zum ersten Messzeitpunkt im Wintersemester 2023/24 nahmen insgesamt 250 Studierende der Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie am DOM-COR-Assessment teil. Zusätzlich beantworteten insgesamt 260 Studierende einen Wissenstest zu wirtschaftswissenschaftlichen Inhalten und insgesamt 473 Studierende einen Intelligenztest.

Ergebnisse

A02 generiert einzigartige Daten und Erkenntnisse,

  • zur Entwicklung des DOM-COR der Studierenden in den Wirtschaftswissenschaften und der Soziologie,
  • zu wichtigen persönlichen und institutionellen Kovariaten (wie besuchte Lehrveranstaltungen) und
  • über Zusammenhänge mit zentralen Studien-Lernergebnissen (wie Modulnoten).

Auf diese Weise liefert A02 eine Grundlage für die konzeptionelle Entwicklung von Trainings zur effektiven Förderung von DOM-COR (in der 2. Forschungsphase).

Beitrag innerhalb der Forschungsgruppe CORE

Die Daten und Erkenntnisse aus A02 werden in die nachfolgenden Analysen aller Projekte der Forschungsgruppe verwendet. So ermöglichen z. B. die Analysen der Online-Informations- und Lernmaterialien, in Zusammenarbeit mit den B-Projekten, eine kritische Bewertung der Eignung von Online-Quellen aus der „realen Welt“ in der Hochschulbildung, womit bessere Lernergebnisse und der Lernerfolg der Studierenden unterstützt werden sollen.